Psycho-Sparring
Mal wieder zum Seelenklempner,
damit der mein wahres Ich
aus dem Wüstensand gräbt
und fitmacht für die Anforderungen des Alltags.
Bin ein paar Minuten zu früh da,
er steht vorm Haus,
lutscht an seiner Kippe,
mit hastigen Zügen,
starrt zu Boden.
Dann erspäht er mich,
so gerade aus den Augenwinkeln.
Wie ein greiser Elefant
im Angesicht des Jägers
hebt er den Kopf
und blickt mich müde an.
»Gehen Sie schon mal hoch«, flüstert er, »Ich komm’ gleich.«
Schaut wieder weg, zu Boden, irgendwohin.
Hauptsache, nicht in mein Gesicht.
Kein Happy Man, kein Glückskeks.
Frißt täglich
tellerweise Hirnkotze fremder Leute.
Ach, das ist interessant,
erzählen Sie mehr davon.
Alle 45 Minuten
eine Zigarette auf der Straße,
endlich für einen Moment allein
Will ich heute sein Lichtblick sein?
Die gute Tat des Tages?
Ich grinse.
Niemand
hält ihm eine Knarre an den Kopf,
er hat sich das so ausgesucht.
Und ich bin seine Existenzberechtigung
und zahle ihm die Miete.
Was will ich ihm heute
auf die Schultern packen?
Gedanken an kleine Jungs, zuckersüße Münder, haarlose Pimmelchen? Wie ich meiner Frau die Fresse poliere, den Kanaken von nebenan vor die Tür geschissen habe?
Die arme Sau
darf’s nicht mal seiner Alten erzählen,
die gute alte Schweigepflicht.
Ich gehe ins Haus die Treppe rauf.
Kann mich nicht beklagen.
Eigentlich läuft ja alles super -
an schlechten Tagen
futtere ich drei Tafeln Ritter Sport
oder hole mir einen runter,
aber das machen andere auch.
Auf geht’s!
Rein in sein Zimmer, Tür zu, Jacke aus,
ich setze mich hin und warte.
Heute mache ich ihn alle.